Im Studium habe ich immer gedacht, dass sich herzlich wenig Menschen für die Thematik der Rosazea interessieren.
Inzwischen, gefühlte 50 Jahre später, bin ich etwas weiser geworden und kann berichten, dass in Deutschland geschätzte 10 Millionen Menschen betroffen sind (Quelle: Tan J et al. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2016).
Was ist denn nun eine Rosazea?
Das Wort kommt von rosaceus, also dem lateinischen Wort für rosenfarbig, da die Wangen am Anfang der Erkrankung rosig erscheinen. Und wie spricht man es richtig aus? Hier scheiden sich die Geister.
Im Deutschen spricht man von einer roˈzaːt͜sea (also mit Betonung des hinteren -sea).
Im englischsprachigen Raum hingegen spricht man von einer roʊˈzeɪʃiə (also mit Betonung des mittleren -sa-). Im Deutschen wird die Rosazea meistens mit -z- geschrieben, im englischen mit -c-.
Bei der Rosazea handelt es sich um eine häufige, chronische, zunächst nur zeitweise auftretende, später dauerhafte, entzündliche Erkrankung mit Gefäßerweiterungen im Gesicht sowie plötzlich einsetzenden Rötungen. Später kommen länger andauernde entzündliche Episoden hinzu, die durch Papeln, Plaques und Pusteln (sieht aus wie Akne) gekennzeichnet sein können. In schweren Fällen können Bindegewebs- und Talgdrüsenvergrößerungen (so genannte Phymbildungen) oder eine Augenbeteiligung auftreten. Charakteristisch ist ein schubweiser Verlauf.
Ein bekannter Triggerfaktor ist die Demodex-Milbe. Bei Demodex-Milben handelt es sich um gutartige Gesellen, die in Talgdrüsen-reicher Haut leben und sich vom Fett der Talgdrüsen ernähren. Diese Milben sind eigentlich harmlos, können bei entsprechender Veranlagung jedoch eine Rosazea verschlechtern.
Erstmalig beschrieben wurde die Rosazea bereits vor etwa 1000 Jahren von persischen Ärzten.
Hildegard von Bingen
Um 1150 wird die Erkrankung in Deutschland erstmals von Hildegard von Bingen (1098-1179) beschrieben.
Hier sehen Sie eine Liniengravur von Hildegard von Bingen, die von William Marshall erstellt wurde und Gegenstand der Wellcome Collection in London ist.
Das Verständnis der Rosazea ist heute etwas detailreicher als vor rund 1000 Jahren. Man weiß inzwischen, dass zahlreiche Gene, Zytokine, Proteasen und Neuropeptide beteiligt sind. Unklar ist allerdings noch immer, ob es zunächst zu einer Überreaktion des Immunsystems und nachfolgend Fehlregulation zwischen Nerven und Gefäßen kommt oder ob diese Fehlregulation zuerst auftritt mit nachfolgender Aktivierung des Immunsystems. Völlig wumpe fragen Sie sich? Diese Frage ist doch lediglich von akademischem Interesse? Weit gefehlt, denn für eine effiziente Therapie muss ich ja wissen, ob ich die Ursache oder das Symptom behandeln will.
Zur Häufigkeit der Rosazea gibt es sehr unterschiedliche Angaben, in einer estländischen Studie wurde beispielsweise 20% angeben, damit wäre die Rosazea die häufigste Hauterkrankung überhaupt. In einer deutschen Population wurde eine Prävalenz von 2,3% ermittelt, in einer schwedischen Studie 10%. Mitteln wir also einfach mal und sagen „relativ häufig“, und zwar meist um das 40. Lebensjahr.
Der volkstümliche Name der Rosazea „Fluch der Kelten“ ist übrigens darauf zurückzuführen, dass die Erkrankung häufiger bei Patienten mit hellen Hauttypen I bis II auftritt.
Wie sieht eine Rosazea aus.
Nun es gibt verschiedene klinische Bilder.
Die mildeste Form ist ein eine kurzzeitig auftretende Rötung oder auch Flush, v.a. der Wangen. Bei jungen Menschen wird dies häufig als „gesundes Aussehen“ fehlgedeutet. Es sind zahlreiche Trigger für die Ausbildung dieser Wangenrötung bekannt: z.B. reizende Kosmetika, Hitze, Kälte, Wind, UV-Licht, scharfe Speisen, Alkohol aber auch Stress.
Zunehmend kommt es dann zu bleibenden Rötungen unter Ausbildung von Gefäßerweiterungen, v.a. im Wangenbereich.
Hinzu kommen im Bereich der Haarfollikel auftretende Papeln und Pusteln. Achtung, wichtig: Komedonen treten bei der Rosazea NIE auf, die Abwesenheit von Komedonen ist somit sehr wichtig zur Unterscheidung von der Akne.
Es kann dann im Verlauf zu entzündlichen Knoten und Infiltraten kommen. Die Haut wird großporiger, ödematöser mit Vergrößerung von Talgdrüsen und Verdickung des Bindegewebes, v.a. an der Nase.
Ein so genanntes Rhinophym ist die Folge. Häufig sieht man in diesem fortgeschrittenen Stadium auch eine Ausdehnung auf Kinn, Stirn, Ohren und die Kopfhaut, insbesondere bei Männern.
Und hierauf möchte ich insbesondere Ihre Aufmerksam lenken: die okuläre Rosazea, also eine Rosazea der Augen. Diese tritt bei ca. 30% aller Rosazea-Patienten auf, kann aber auch das einzige Anzeichen einer Rosazea sein. Die okuläre Rosazea kann, falls unzureichend behandelt im schlimmsten Fall zu einer Erblindung führen.
Die Rosazea in der Kunst
Dies hier ist ein Gemälde von dem italienischen Renaissance-Maler Domenico Ghirlandaio, genannt „Alter Mann mit Enkel“, gemalt wurde es 1488.
Wer es anschauen möchte, muss in den Louvre in Paris gehen. Was stimmt hier nicht?
Nun die Hautrötung fehlt. Warum das?
Man nimmt an, dass das Gemälde erst nach dem Tode des Mannes anhand des Abdrucks der Totenmaske erstellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Blutfluss aufgrund des Todes bereits versiegt, die Haut hatte also nicht mehr die Rosazea-typische Rötung.
Ich habe festgestellt, dass man sich Dinge viel besser merken kann, wenn man ihnen eine Gesicht gibt. Nun überlegen Sie mal? Kennen Sie eine prominente betroffene Person?
Nun ich kann Ihnen ein paar Beispiele nennen: Bill Clinton, Cameron Diaz, Renée Zellweger, Cynthia Nixon, Maria Carey.
Die Diagnostik ist nicht schwierig.
Meist reicht eine ausführliche Anamnese und klinisch Inspektion aus. Nicht vergessen, die Abwesenheit von Komedonen spricht für Rosazea und nicht für Akne! Ganz wichtig ist die Untersuchung der Augen. Eine Probebiopsie ist in den meisten Fällen nicht notwendig.
Wie sieht es mit der Therapie aus?
Hildegard von Bingen hatte ich initial erwähnt. Sie war den Ursachen ja bereits auf den Grund gekommen. So schreibt sie in ihrem zwischen 1150 und 1160 verfassten Buch „Causae et curae“: es handele sich um eine „Form des Aussatzes, von Schlemmerei und Trunksucht hervorgerufen“. Das lassen wir hier nun einfach mal unkommentiert stehen 😉
Zwischen 1150 und 1160 schreibt Hildegard von Bingen das Buch „Causae et curae“, links sehen Sie einen Ausschnitt.
In diesem Buch schlägt sie um 1150 die folgende Therapie vor:
Man nehme gebratenes Storchen- und Geierfett, Schwefel sowie Pulver aus Schwalbenkot und Klettenpflanze und stelle hieraus eine Salbe her.
Diese Salbe soll nach einem Schwitzbad unter 5 Tagen Bettruhe auf der Gesichtshaut des Patienten verbleiben.
Inzwischen, gut knapp 1000 Jahre später, wissen wir etwas mehr und empfehlen Folgendes:
Eine Kombination aus einer Creme, die gegen Demodex-Milben hilft sowie einem Antibiotikum. Die beiden Wirkstoffe ergänzen sich gegenseitig und entsprechen einer wissenschaftlich begründeten Therapie, die alle Entzündungspfade der papulopustulösen Rosazea positiv beeinflussen kann.
Bereits das Anfangsstadium einer Rosazea (nur Wangenrötung) ist nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern bereits Ausdruck einer zugrunde liegenden Entzündung und sollte deshalb behandelt werden.
Weitere therapeutische Maßnahmen beinhalten konsequenten UV-Schutz, Meiden von Triggerfaktoren, ggf. Lasertherapie störender Teleangiektasien bzw. operative Therapie mittels Dermabrasion oder Shaveexzision bei Phymen.
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